LMU-Geographen entwickeln mit Schweizer Forschern ein neues System zur Verbesserung der Lawinen- und Hochwasservorhersage, das zwei physikalische Methoden kombiniert und direkt in Hanglagen eingesetzt werden kann. Für die Vorhersage der Lawinengefahr sowie für Abflussprognosen in alpinen Einzugsgebieten sind vor allem zeitlich hochaufgelöste Daten über den Feuchtgehalt der Schneedecke und die Schneemenge relevant. Ein Team um Professor Wolfram Mauser und Franziska Koch vom Department für Geographie der LMU sowie Dr. Jürg Schweizer und Lino Schmid vom WSL Institut für Schnee und Lawinenforschung SLF in Davos kombinieren zwei unterschiedliche Messmethoden, wodurch erstmals kontinuierlich und nicht destruktiv wichtige Schneedaten, potentiell auch in Hanglagen, erhoben werden können. Darüber berichten die Forscher aktuell in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters.
Die LMU-Forscher haben eine neue Methode entwickelt und vor wenigen Monaten im Journal Sensors veröffentlicht, mit der mithilfe von kostengünstigen GPS-Empfängern der Schmelzbeginn im Frühjahr und der volumetrische Feuchtgehalt der Schneedecke kontinuierlich bestimmt werden können: Sie analysieren die Stärke der GPS-Signale und ziehen daraus Rückschlüsse auf die Feuchtigkeit des Schnees.
„Je schwächer das empfangene Signal unter der Schneedecke ist, desto feuchter ist der Schnee. Mithilfe dieser Daten lassen sich Nassschneelawinen und mögliche Hochwässer, die durch die Schneeschmelze verursacht werden können, besser vorhersagen. Da die GPS-Daten frei verfügbar sind und die Geräte sehr kostengünstig und leicht zu installieren sind, ist eine Ausbringung mehrerer Sensoren als Netzwerk, zum Beispiel zur Unterstützung der Hochwasservorhersage, gut denkbar“, sagt Wolfram Mauser.
Neuer Ansatz zur nicht destruktiven Messung unterhalb der Schneedecke
Nun haben die LMU-Geographen ihre Methode erstmals mit Messungen eines vom SLF betriebenen Bodenradars verglichen und kombiniert. Das Forscherteam hat beide Systeme über zwei Winterperioden auf einem Testfeld am Weissfluhjoch bei Davos auf 2540 Metern Höhe parallel laufen lassen. Noch vor dem ersten Schneefall vergruben sie ein Radargerät in einer Kiste im Boden und legten die kleinen, nur vier mal vier Zentimeter großen GPS-Antennen am Boden aus. Während mehrerer Monate mit kontinuierlicher Schneebedeckung verglichen sie die Daten, die die Geräte empfingen.
„Generell sind sowohl das GPS als auch das Radar eines der ersten Systeme, die nur unter Zuhilfenahme von extern gemessener Schneehöhe den Feuchtegehalt kontinuierlich und ohne Zerstörung der Schneedecke messen können. Beide Systeme lieferten in sehr guter Übereinstimmung zeitlich hochaufgelöste Daten über den Feuchtgehalt des Schnees sowie darüber, wann der Schnee im Frühjahr tagsüber schmilzt und in der Nacht wieder gefriert“, sagt Franziska Koch.
Die Messungen des Bodenradars und der GPS-Empfänger wurden zudem miteinander kombiniert, wodurch die drei essenziellen Schneeparameter Schneewasseräquivalent, das angibt, welche Wassermenge entsteht, wenn man ein Schneepaket schmilzt, Schneehöhe und der Feuchtegehalt völlig ohne externe Informationen kontinuierlich ermittelt werden konnten.
„Der große Vorteil ist, dass beide Geräte von unterhalb der Schneedecke messen. Daher können sie auch in möglichen Lawinenhängen installiert werden und dort direkt die Schneeparameter bestimmen. Dies ist bislang mit keiner konventionellen Schneemessung möglich“, sagt Franziska Koch.
Bislang werden für die Lawinenvorhersage beispielsweise Schneehöhensensoren eingesetzt, die an Stangen installiert sind und bei einem Lawinenabgang möglicherweise zerstört werden könnten. Andere Schneemessgeräte eignen sich nur für flache Gebiete und manuelle Messungen können in Lawinenrisikogebieten aus Sicherheitsgründen nicht durchgeführt werden. In einem nächsten Schritt wollen die Forscher nun auch die Schneemenge allein mithilfe der mit den GPS-Empfängern gewonnenen Daten berechnen.